Tamedia marschiert durch

Unbeeindruckt von allen Bedenken zieht Tamedia das im September angekündigte Projekt 2020 durch. Zur Erinnerung: Künftig sollen zwölf Tageszeitungen denselben Ausland-, Inland-, Wirtschafts-, Kultur-, Gesellschaftsteil haben. Auch die Sportberichterstattung wird stark zentralisiert. Eigenständig bleiben einzig die Lokalressorts. Bern trifft dies hart, weil die «Berner Zeitung» bis jetzt noch einen eigenen Mantelteil produzierte und «BZ» und «Bund» redaktionell komplett unabhängig voneinander waren. Damit ist es endgültig vorbei: Die Umstrukturierungen gehen in hohem Tempo voran. Es gibt kein Zurück.

In diesen Tagen erfahren die Journalistinnen und Journalisten von «Berner Zeitung» und «Bund», wo sie ab 1.1.2018 arbeiten: Dabei zeigt sich, dass Tamedia ein Zürcher Unternehmen ist und bleibt. Entgegen im September gemachter Versprechen werden einige künftig nach Zürich pendeln müssen. Klar ist jetzt vor allem: Ihnen bleibt keine Wahl. Denn Tamedia zieht den Arbeitgeberwechsel für einige Dutzend Mitarbeitende, die von Espace Media (Bund/BZ) zur Tamedia (in die übergeordnete Mantelredaktion) wechseln, nicht mit einer Vertragsänderung, sondern vorerst als Betriebsübergang durch. Das bedeutet juristisch: Wer ein Jobangebot ablehnt, kündigt damit selber. So will es das Gesetz bei Betriebsübergängen. Die Beteuerungen des Tamedia2020-Projektleiters, man wolle niemanden zu einem Stellenwechsel zwingen und verzichte vorderhand auf Kündigungen, erweisen sich als Farce. Statt eines Sozialplans gelten dann sogar gegenüber den Arbeitsverträgen verkürzte Kündigungsfristen. Im schlimmsten Fall stehen Mitarbeitende, die dem neuen Angebot nicht zustimmen, schon nach einem Monat auf der Strasse.

Die Umstrukturierung, welche in Bern ab 2018 zwei geschwächte Zeitungen übrig lassen wird, dürfte schon bald auch zu Kündigungen vonseiten des Arbeitgebers führen. Denn schon jetzt zeigt sich, dass sich die Hoffnung, den Stellenabbau mittels natürlicher Fluktuationen zu bewältigen, nicht erfüllen wird. Auch die Ertragslage in der Branche hat sich nicht verbessert. Statt der von Tamedia kommunizierten Stärkung der Qualität dürfte dieser Negativstrudel im nächsten Jahr viel Ressourcen binden auf den Redaktionen. Ressourcen, die diese eigentlich zur Bewältigung des komplexen Projekts 2020 benötigen würden.

Von aussen wird die Fusion aller überregionaler Teile zwar mit Sorge beobachtet, der konkrete Widerstand hält sich aber in Grenzen. Die beiden Berufsorganisationen der Journalistinnen und Journalisten, Syndicom und Impressum, unterstützen und beraten die Personalkommissionen von Bund und BZ. Impressum hat letzte Woche die Wettbewerbskommission (Weko) angerufen. Die Weko solle überprüfen, ob die absehbare Konzentration nicht die Medienvielfalt zu sehr gefährde.

Ebenfalls Ende Woche wurde bekannt, wie sich der bernische Regierungsrat offiziell dazu stellt, dass die überregionale Berichterstattung der beiden Berner Titel von Tamedia «Berner Zeitung» und «Bund» künftig hauptsächlich aus Zürich kommt. Er tat dies in der Antwort auf die Interpellation der Grossräte Samuel Krähenbühl (SVP) und Thomas Brönnimann (GLP). Diese fragen, ob und wie sich die Regierung gegen den geplanten Kahlschlag wehren wolle. Man habe das Gespräch gesucht, schreibt der Regierungsrat. Man teile zwar die Besorgnis der Interpellanten, für weitergehende Schritte sei es jetzt aber zu früh. Solche müssten dann erwogen werden, wenn eine Aufgabe des Berner Modells mit den beiden Titeln Bund und BZ drohe. Tamedia hat bisher stets festgehalten, alle Zeitungstitel würden erhalten.

Ähnlich beantwortete der Regierungsrat letzte Woche einen Brief der Berner Impressum-Sektion BVJ. Zwar könne er die Bedenken des BVJ «nachvollziehen», allerdings sei er sich «auch bewusst, dass es in der unternehmerischen Verantwortung» von Tamedia liege, «den Umbruch in der Medienlandschaft und die Veränderungen im Nutzungsverhalten der Konsumenten zu antizipieren». Der Regierungsrat habe Tamedia zu einem Gespräch eingeladen, dabei gehe es auch um die Rolle von Tamedia als Arbeitgeberin im Kanton Bern.

Der Freiburger Medienprofessor Manuel Puppis bestätigt die Bedenken, die in der von der Belegschaft verfassten Protestzeitung «Monopol» vom 7. September geäussert wurden. In einem Interview in der aktuellen Ausgabe von «Edito», der Zeitschrift der Medienberufsverbände Syndicom, Impressum und SSM und sagt er: «Ich sehe vor allem ein Problem der Vielfalt auf lokaler Ebene.» Früher oder später leide die Glaubwürdigkeit, wenn man gefühlt überall dieselbe Information habe. Er hegt Zweifel, ob die regionalen Tamedia-Titel künftig noch die Kraft dazu haben, um eine regionale Perspektive auf nationale Nachrichten einzubringen.

Das Thema Tamedia bleibt in Bern aktuell: Am Montag, 20. November 2017 behandelt die Veranstaltungsreihe «‹Der Bund› im Gespräch» im Kornhausforum Bern das Thema: Was wird aus «Bund» und BZ? Tamedia wird vertreten von Verwaltungsratspräsident Pietro Supino. Weiter diskutieren mit: Matthias Aebischer, Nationalrat (SP), und Peter Stämpfli, Unternehmer.

2 thoughts

  1. Im Kanton Bern neigt man auf Kosten des Finanzausgleichs zu einer gewissen Überheblichkeit. Bern befiehlt, Zürich bezahlt.
    „Numä nid gsprängt u geng ä chli Hü.“ Flughafen, Tourismus sowie Medien usw. überall das gleiche Lied. Eine überbordende Verwaltung bremst wo es geht und Visionen die Zukunft betreffend werden grundsätzlich soweit möglich abgemurxt. Ein „Bernerblatt“ mit einem quantitativ guten Lokalteil genügt vollauf. Dass zwei Lokalredaktionen mehr oder weniger wortgleich über den quasi Zusammenbruch einer unrentablen mini Airline berichten zeigt den üblichen Leerlauf. Irgendwann viel viel später wird man auch im behäbigen Bern merken das sich die Medienlandschaft rasant verändert. Bis dann gibt es den „Tagi“ Deutschschweiz weit mit Regionalteilen nur noch bezahlt und online. Die „Achermäre“ wird auch in Bern eines fernen Tages durch Dronen ersetzt.

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