Die Politik ist alarmiert (2/2)

Raphael Lanz, Thuner Stadtpraesident mit BZ in seinem Buero
© Franziska Rothenbuehler

Raphael Lanz, Stadtpräsident Thun: «Ein Einheitsbrei bietet keinen Mehrwert, für den man bezahlt.»

Raphael Lanz, Sie sind seit 2011 Stadtpräsident von Thun. Die Stadt ist auch bekannt als das Tor  zum Berner Oberland. Findet diese Region heute eine Plattform für ihre Anliegen?

Wir haben zumindest das Glück, dass es hier weiterhin das «Thuner Tagblatt» (TT) und die «Jungfrau Zeitung» gibt. Aber es gab Zeiten, da hatten die «Berner Zeitung» und der «Bund» Regionalbüros bei uns. Ich stelle fest, dass es mit der zunehmenden Konzentration schwieriger wird, der Meinungsvielfalt gerecht zu werden. Debatten verarmen. Ich mache mir Sorgen, was in einigen Jahren ist.

«Es wird schwieriger, der Meinungsvielfalt gerecht zu werden.»

Was ändert sich, wenn künftig die überregionale Berichterstattung zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft für «Bund», BZ, das TT und den «Berner Oberländer» aus einer einzigen Zentralredaktion stammt – die sich mehrheitlich in Zürich befindet?

Bereits der Kanton Bern ist vielfältig. Themen wie der Finanzausgleich oder der Tourismus werden hier im Berner Oberland ganz anders beleuchtet als in der Stadt Bern. Es braucht diese unterschiedlichen Perspektiven, sonst werden die Leute übergangen. Wenn künftig vorrangig in Zürich entschieden wird, wie und ob ein Thema behandelt wird, verschärft sich diese Problematik noch. Es geht das Gefühl für andere, insbesondere auch ländliche Regionen verloren.

Machen Sie sich Hoffnungen?

Ich glaube schon, dass es Tamedia interessieren muss, ob man den Bedürfnissen der Leserinnen und Leser gerecht wird. Ich erwarte vom Verlag, dass er nicht nur stromlinienförmig ökonomisch vorgeht, sondern auch solche Aspekte berücksichtigt. Ansonsten könnte die Rechnung nur kurzfristig aufgehen. Denn ein Einheitsbrei bietet keinen Mehrwert, für den man bezahlen will.

Wie lesen Sie Zeitungen?

Jeden Morgen hole ich zwei TT, eine BZ, einen «Bund «und eine NZZ aus dem Briefkasten. Ich informiere mich gerne in gedruckten Zeitungen – auch meine Kinder haben übrigens schon damit begonnen. Sie starten einfach ihre Lektüre anderswo. Ich starte mit einem Gesamtüberblick, dann studiere ich berufsbedingt das Lokale, anschliessend die Kantonspolitik, da ich für die SVP auch im Grossen Rat sitze. Am Abend lese ich dann vertieft Nationales und Internationales. Dafür reicht es morgens meist nicht.

Was kann die Öffentlichkeit tun?

Wer selber Zeitungen abonniert, gibt dem Qualitätsjournalismus sicher eine Chance. Denn es gibt schon nachvollziehbare ökonomische Gründe, die Tamedia zu diesem Schritt bewegen. Trotzdem müssen politische Entscheidungsträger ihre Bedenken deponieren – und das tun wir auch.

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