PEDRO LENZ, SCHRIFTSTELLER
Als junger Kolumnist durfte ich bei der Tageszeitung «Bund» viel lernen. «Immer dran, nie drin», sagte mir einmal ein erfahrener Redaktor und meinte damit, dass es beim Journalismus unter anderem darauf ankomme, nahe am Geschehen zu sein, ohne selbst Teil davon zu werden. Es ging darum, die Menschen, über die man berichtete, ernst zu nehmen, ohne sich ihnen anzudienen.
Irgendwann hat sich die Vorstellung von Nähe verwandelt. Heute wird Nähe oft mit Distanzlosigkeit verwechselt. Was einst journalistische Neugierde war, ist einer verbreiteten Klatschsucht gewichen. «People» nennt sich zum Beispiel bei den meisten Zeitungen der Teil, der gerade nicht über People, also das Volk, berichtet, sondern über die, von denen angenommen wird, das Volk müsse zu ihnen aufschauen.
Die People-Seiten sollten No-People heissen. Sogar die einst als Bastion des seriösen Journalismus geltende Depeschenagentur sda betreibt einen People-Dienst, der sich darum kümmert, Klatschgeschichten, die bereits irgendwo erschienen sind, anderen Zeitungen zugänglich zu machen, ohne die Inhalte zu verifizieren. Das wirkliche People staunt.
Dass es in der Bundesstadt trotz den erwähnten Zerfallserscheinungen noch zwei Zeitungen gibt, in denen versucht wird, trotz ständig schwindenden Mitteln ernsthaften Journalismus zu betreiben, ist ein Trost. Im Idealfall sind «Bund» und BZ dran, ohne drin zu sein. Noch gibt es Journalistinnen und Journalisten, denen es darum geht, recherchierte Beiträge für ein lesendes und mitdenkendes Publikum zu verfassen. Sie geben ihren Zeitungen eine eigene Farbe.
Aus der Nähe schreiben ist eine Frage der Haltung. Aber es ist auch eine Frage der räumlichen Distanz. Journalisten müssen den Gegenstand, über den sie schreiben, riechen und spüren. Das geht nicht aus der Ferne. Journalismus muss dort stattfinden, wo die Menschen sind, um die es geht. Immer dran, nie drin
Na, müsste ich denn in meinem hohen Alter doch noch in den Journalismus einsteigen? Ich wäre dran, zumindest in Bern, rieche und spüre einiges.
Vergessen Sie`s : Ein schmieriges Geschäft !
Und anspruchsvoll wie ein Ölwechsel ohne Ölflecken.